Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpflichten in der Coronakrise
Muss ein Kfz-Betrieb das Gehalt zahlen, wenn sein Arbeitnehmer in verordneter Quarantäne ist? Darf ein Arbeitnehmer seine Leistung aus Angst vor Ansteckung verweigern? Diese und noch andere Fragen klärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Stefan Haas.
Seine Ausführungen hat der Düsseldorfer Jurist (www.haas-law.de) in der nachfolgenden Arbeitsrechtsdepesche des Verbands deutscher ArbeitsrechtsAnwälte (VDAA) dargelegt.
1.) Pflichten und Möglichkeiten des Arbeitgebers
Dem Arbeitgeber obliegen Hinweis- und Schutzpflichten zugunsten seiner Arbeitnehmer. Bei deren Verletzung kann er sich schadensersatzpflichtig gegenüber seinen Arbeitnehmern machen. Er ist also gut beraten, jedem Corona-Verdachtsmoment nachzugehen und schnellstmöglich Schutzmaßnahmen zugunsten seiner Arbeitnehmer zu ergreifen.
Dazu gehört, einen Krankheitsverdächtigen einseitig von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Freilich wird er ihm in einem solchen Fall sein Arbeitsentgelt fortzahlen müssen.
Fällt eine Vielzahl der Arbeitnehmer des Arbeitgebers aus und kann er deshalb seinen Betrieb nicht aufrechterhalten, rechtfertigt dies die Anordnung von Kurzarbeit. Die Situation kann nicht anders beurteilt werden, als wenn infolge der Epidemie etwa Lieferketten unterbrochen und notwendige Arbeitsmaterialien nicht angeliefert werden.
Umgekehrt wird der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, bei Ausfall einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern für die übrigen Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, um in einem solchen Notfall die Aufträge abzuarbeiten.
In vielen Betrieben stellt sich die Frage, ob gegenüber den Arbeitnehmern einseitig die Arbeit im Homeoffice angeordnet werden kann. Grundsätzlich besteht weitgehend Einigkeit dahingehend, dass ein Arbeitnehmer nicht einseitig in sein Homeoffice „abgeordnet“ werden kann. Die aktuelle Situation muss meines Erachtens anders bewertet werden. Es entspricht hier gerade billigem Ermessen des Arbeitgebers, wenn er sein Direktionsrecht zum Schutz des Betroffenen und aller anderen Arbeitnehmer dahingehend ausübt, diese bis auf weiteres zur Arbeit im Homeoffice zu verpflichten.
2.) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers
Allein die Tatsache, dass eine Epidemie existiert und Arbeitnehmer sich der Gefahr aussetzen könnten, sich im Betrieb des Arbeitgebers zu infizieren, gibt dem Arbeitnehmer ohne konkrete Verdachtsfälle kein Leistungsverweigerungsrecht. Er bleibt deshalb zur Arbeitsleistung grundsätzlich verpflichtet.
3.) Erkrankung des Arbeitnehmers oder naher Angehöriger
Erkrankt ein Arbeitnehmer selbst an Corona, gilt nichts anderes als bei jeder anderen Krankheit auch. Der Arbeitnehmer hat seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für einen Zeitraum von sechs Wochen nach dem EFZG. Danach ist er krankengeldberechtigt.
Sollte ein naher Angehöriger, etwa ein Kind, erkranken, wird der Arbeitnehmer seinen Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß Paragraph 616 BGB geltend machen können, sofern diese Regelung nicht im Arbeitsvertrag abbedungen ist. Für den Fall der Erkrankung eines Kindes kann er überdies auf den sozialrechtlichen Freistellungsanspruch des Paragraph 45 SGB V zurückgreifen.
4.) Quarantäne eines Arbeitnehmers
Die Voraussetzungen und Folgen einer Quarantäne regelt das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach dessen Paragraph 30 kann gegenüber Kranken und Krankheitsverdächtigen eine Quarantäne angeordnet werden. Sie haben in einem solchen Fall für Verdienstausfallschäden einen Entschädigungsanspruch gemäß Paragraph 56 IfSG. Danach erhalten sie für 6 Wochen Entgeltfortzahlung nach den Regelungen des EFZG. Diesen Anspruch muss zunächst der Arbeitgeber befriedigen und er hat seinerseits einen Erstattungsanspruch gegen das jeweilige Bundesland. Nach Ablauf des 6-Wochen-Zeitraums besteht ein unmittelbarer Entschädigungsanspruch für den Verdienstausfall gegenüber dem Land in entsprechender Anwendung der Regelungen des Krankengeldes.
5.) KiTa-/Schulschließungen
Wird die KiTa/Schule betreuungspflichtiger Kinder geschlossen, richten sich die Ansprüche der hiervon betroffenen Eltern wiederum nach Paragraph 616 BGB. Grundsätzlich ist es die Verpflichtung der Eltern, für die Betreuung ihrer Kinder zu sorgen. Sie können eventuell einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach Paragraph 616 BGB haben (soweit diese Regelung nicht im Arbeitsvertrag abbedungen ist). Allenfalls kann aber eine rechtlich nicht erhebliche Zeit gedeckt sein. Steht zu Beginn der Schließung fest, dass die KiTa/Schule über längere Zeit geschlossen bleibt, kann auch ein solcher Anspruch von vornherein nicht bestehen.
5.) Schließung des Arbeitgeberbetriebs
Ein solcher Fall wird den Arbeitgeber grundsätzlich nicht von seiner Entgeltfortzahlung befreien können. Dieser Fall unterliegt als behördliche Anordnung dem sogenannten „Betriebsrisiko“. Nach den obigen Ausführungen zu I. kann sich hier allerdings die Frage stellen, ob der Arbeitnehmer zur Arbeit im Homeoffice verpflichtet werden kann.
Fazit
Es kann als sicher davon ausgegangen werden, dass die hier angesprochenen Probleme in recht kurzer Zeit die Rechtsprechung beschäftigen werden. Angesichts der umfassenden Betroffenheit aller Beteiligter sollten diese versuchen, die Situation in allseitigem Einvernehmen zu lösen.
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