Als Frau in der Werkstatt: Kfz-Meisterin Sarah Dittmar (26) über ihren Werdegang

Sarah Dittmar legte im vergangen Jahr ihre Meisterprüfung ab. "Eine Frau hat im Werkstattalltag auch Vorteile: kleinere Hände und manchmal mehr Gelenkigkeit", so die 26-Jährige. Rechts: Sarah Dittmar mit ihrem Chef Martin Reinhardt von RS Automobile in Puchheim bei München. Im Hintergrund zu sehen sind die US-Car-Modelle (von links) Buick Invicta, Dodge Charger und Plymouth Roadrunner. Bilder: Lanzinger

Eine Frau in der Kfz-Werkstatt? Das war bis vor einigen Jahren noch die Ausnahme. Inzwischen hat sich das geändert. Die Zahl der weiblichen Arbeitskräfte in den Werkstätten nimmt zu. Ein Beispiel dafür ist Kfz-Meisterin Sarah Dittmar aus der Nähe von München.

Anfangs hatte die 26-Jährige durchaus Widerstände zu überwinden und bekam trotz über 100 Bewerbungen kein Vorstellungsgespräch. Dennoch hat sie ihren Weg gemacht, ist jetzt Kfz-Meisterin und glücklich in ihrem Beruf. „Ich habe mich schon immer für Automobile interessiert”, blickt Sarah Dittmar zurück. Bereits in sehr jungen Jahren schraubte sie regelmäßig mit ihrem Vater in der Garage an einem Motorrad und am Familienauto. Mit zwölf machte sie ihren ersten Reifenwechsel und spätestens von da ab stand fest: „Ich möchte Kfz-Mechatronikerin werden.”

Auch das Privatleben von Dittmar dreht sich hauptsächlich um Fahrzeuge. In ihrer Garage hat sie gleich fünf davon, an denen sie viel schraubt und tunt: das Motorrad Kawasaki ZXR750, einen Golf II, einen Corrado G60, einen BMW E30 Eta sowie einen VW Jetta I. „Autos müssen für mich laut sein, schnell, tief und sportlich. Ich liebe Autofahren, fühle mich sehr frei dabei. Und kann sagen: Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf und Lebensstil gemacht”, erzählt die Kfz-Meisterin.

Kurvige Wegstrecke
Doch der Weg erwies sich alles andere als geradlinig, sondern vielmehr kurvig. Mit 17 Jahren, nach dem qualifizierten Hauptschulabschluss, schrieb sie über 100 Bewerbungen – und bekam nur Absagen. „Und das, obwohl ich bereits Praktika in der Werkstatt hinter mir hatte”, betont Sarah Dittmar. Auch ihre Eltern waren mit Blick auf die vielen vergeblichen Bewerbungen skeptisch auf die angestrebte Berufswahl. Zunächst kam sie dann dem Wunsch ihrer Eltern nach und besuchte die Wirtschaftsschule. „Wirtschaft hat mich jedoch nie interessiert.
Es war so frustrierend, dass ich kurz da-vor war, den Berufswunsch Kfz-Mechatronikerin zu begraben”, erzählt die 26- Jährige.

Lehrstelle durch Zufall
Doch dann kam alles anders – mehr aus Zufall klappte es dann doch noch: Während eines Praktikums in einer freien Werkstatt in München kam ein Berufskollege des Inhabers aus einem BMW-Betrieb vorbei. Über diesen Kontakt erhielt sie dort eine Ausbildungsstelle. Sie war das einzige Mädchen in der Werkstatt. Insbesondere die älteren Kollegen gaben ihr dort schon recht deutlich zu verstehen, dass sie fehl am Platz sei. „Die haben gesagt: ‚Das ist nichts für dich und außerdem viel zu schwer.’ Ich habe dann aber doch Radwechsel mit 20-Zöllern gemacht. Nachdem die gesehen haben, dass ich das kann, haben sie ihre Meinung durchaus mal geändert.”

Dumme Sprüche
In der Berufsschule gab es von Mitschülern schon mal Sprüche wie „Frau, putz!’, doch Sarah Dittmar gab nicht viel darauf. „Ich weiß, was ich kann!“ Und sie ist der Überzeugung: „Für diesen Beruf muss man ein großes Selbstbewusstsein haben und ein hartes Fell, besonders als Frau – nicht nur in der Ausbildung, sondern auch später.” Während der Ausbildung ging ihr Ausbildungsbetrieb in die Insolvenz und sie wechselte in eine freie Werkstatt, was für sie positiv war: „Mir machte es mehr Spaß, an mehreren Fabrikaten statt immer nur an einer Marke zu arbeiten. Und in einer freien Werkstatt muss man einfach viel mehr improvisieren.”

Neue Räumlichkeiten?
Eine Frage, die sich Kfz-Werkstätten immer wieder stellen: Sind neue Räumlichkeiten zu schaffen, wenn eine Frau eingestellt werden soll? Keineswegs. In Betrieben mit bis zu neun Beschäftigten kann auf getrennt eingerichtete Toiletten-, Wasch- und Umkleideräume für männliche und weibliche Beschäftigte verzichtet werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine zeitlich getrennte Nutzung sichergestellt ist. Hierbei ist ein unmittelbarer Zugang zwischen Wasch- und Umkleideräumen erforderlich. Auch in anderen Bereichen gibt es keine Besonderheiten. So sind spezielle Unterweisungen für Mitarbeiterinnen nur im Rahmen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) notwendig, ebenso nach der Mutterschutzrichtlinienverordnung und der Lastenhandhabungsverordnung.

Keine Gefährdungen
Was die tägliche Arbeit betrifft, sind der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) keine besonderen Gefährdungen von Arbeitnehmerinnen in einer Kfz-Werkstatt bekannt. Gibt es dennoch Tätigkeiten in der Werkstatt, die als Frau undurchführbar sind? „Natürlich stoße ich körperlich doch eher an die Grenzen als ein Mann”, betont Sarah Dittmar. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder weiß man sich zu helfen und trickst mit dem Hebelweg. Oder man bittet einen Kollegen um Hilfe.” Andererseits hat eine Frau im Werkstattalltag auch Vorteile: Sie hat kleinere Hände und ist manchmal auch gelenkiger. „Da rufen mich dann oft die Kollegen und sagen: Komm mal schnell und hilf mir. Da tut man sich an engen Stellen im Motor einfach leichter als die Männer mit ihren großen Armen. Und man kann sich kleiner machen, im Innenraum irgendwo liegen und mit dem kleinen Finger irgendwelche Schrauben aufmachen.”

Mitarbeitende Meisterin
Nach der Ausbildung kam Sarah Dittmar in einer Mehrmarkenwerkstatt unter, die sich auf US-Automobile spezialisiert hat – genau wie ihr heutiger Betrieb, die Firma RS Automobile in Puchheim bei München. Dort ist sie seit einigen Monaten. „Ich muss ein großes Lob aussprechen an diese Firma hier: Das erste Mal, dass ich mich zu 100 Prozent angenommen fühle. Meine beiden Chefs stehen hinter mir und können mir so viel beibringen.” Bei RS Automobile ist Dittmar mitarbeitende Kfz-Meisterin, kümmert sich unter anderem um die Lehrlinge. Ihre Meisterprüfung legte sie im vergangenen Jahr ab. „Es war schwierig und nervenzehrend. Hinzu kam auch etwas Prüfungsangst.”

Durchhalten
Doch Sarah Dittmar rät allen Frauen in diesem Beruf durchzuhalten. Mehr noch: Sie möchte viele junge Frauen dazu aufrufen, diesen Beruf zu ergreifen. „Klar muss man die Zähne zusammenbeißen und 200 Prozent geben als Frau. Aber wenn man dies weiß und es der Traumberuf ist, dann sage ich jedem Mädel: ‚Nicht aufgeben!’ Und dann klappt’s auch. Ich war mehrmals davor hinzuschmeißen, auch kurz vor meiner Gesellenprüfung. Doch nun bin ich froh, dass ich das nie gemacht habe.”

Mangel an Frauen
Nach Ansicht der Kfz-Meisterin könnte der Berufsstand durchaus mehr Frauen vertragen. „In anderen Berufsbildern ist es genau umgekehrt, beispielsweise in Pflege- oder Erziehungsberufen. Da gibt es einen Frauenüberschuss und es werden händeringend Männer gesucht.” Der Appell von Sarah Dittmar an die Inhaber von Kfz-Betrieben: „Schrecken Sie nicht sofort zurück, wenn sich eine junge Frau bewirbt. Wenn das Engagement stimmt und das Interesse da ist, bitte ich jeden Arbeitgeber: Laden Sie die Bewerberin ein, hören sich ihre Argumente an und geben ihr die Möglichkeit für ein Praktikum. Lassen Sie sich nicht von Vorurteilen lenken, sondern sehen erst: Was möchte die Interessentin und was kann sie?” Auf ihren eigenen Weg zurückblickend, erinnert sich Dittmar: „Ich wollte diesen Beruf unbedingt ergreifen und bin zu keinem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Folglich konnte ich nichts von mir erzählen und die Betriebe konnten mich nicht kennenlernen.”

Perspektiven
Was sind die Pläne der jungen Kfz-Meisterin für die Zukunft – vielleicht ein Fahrzeugtechnik-Studium? Die 26-Jährige schüttelt den Kopf. „Wenn ich jetzt noch studieren würde, hätte ich nicht mehr genügend Geld für die Reparatur und das Tuning meiner Autos. Ich möchte in meinem jetzigen Betrieb RS Automobile lange bleiben.” Und: „Ich denke grundsätzlich nicht so weit in die Zukunft. Hätte mich vor zwei Jahren jemand gefragt, ob ich den Meister mache, wäre meine Antwort gewesen: Nein. Und jetzt habe ich den Meister!”

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