Kommentar

Alles Marketing, oder was?

Chefredakteur Torsten Schmidt. Bild: Krafthand

„Ich kann Kfz-Profis gut verstehen, die sich skeptisch gegenüber Produkten äußern, die exra für E-Fahrzeuge hergestellt wurden“, sagt Chefredakteur Torsten Schmidt in seinem Kommentar. Trotzdem betont er, dass Hersteller immer schon mit Alleinstellungsmerkmalen werben mussten, um Umsatz zu generieren. Umsatz, an dem auch Werkstätten verdienen.

„Warum wird die Verdummung durch die Industrie nicht scharf kritisiert?“ Mit dieser Frage richtete sich kürzlich ein langjähriger Leser an uns. Anlass seiner Mail: Berichte in Krafthand 3-4/2023 und 7/2023 über eine Bremsflüssigkeit beziehungsweise Reifen speziell für E-Autos. Ich kann den Impuls des Lesers durchaus verstehen. Denn natürlich funktionieren E-Autos auch mit herkömmlicher Bremsflüssigkeit. Eine spezielle ist nicht mal ab Werk drin. Und natürlich fahren E-Autos auch mit „normalen“ Reifen ohne ausdrückliches „E-Label“, wenn Dimension und Traglast passen. Ist das alles also nur Marketing? Selbstverständlich.

Aber ist es deshalb gleich Verdummung? Wir als Medium müssen hier etwas differenzierter hinschauen. In beiden Fällen schreiben die Anbieter für Bremsflüssigkeiten und Reifen ihren speziellen Produkten für E-Autos optimierte Eigenschaften zu, deren Entwicklung eben durch die E-Mobilität getrieben ist. Das objektiv darzulegen und darüber zu informieren, was es auf dem Markt gibt, ist die Aufgabe eines Fachmagazins. Selbst dann, wenn positive Effekte im ein oder anderen Fall nur im Labor/auf dem Prüfstand nachweisbar sind und man sich die Frage stellen kann: Wurde das gemacht, um Verbesserungen zu erzielen oder mit kleinen Korrekturen ein teureres Produkt zu rechtfertigen? Oder beides?

Fakt ist, dass immer wieder neue Produkte auf den Markt kommen und die Anbieter natürlich auch Werbung dafür machen (müssen) – egal ob es sich um sinnvolle, notwendige oder verzichtbare Entwicklungen handelt. Darin unterscheidet sich unsere Branche nicht von anderen. Letztlich muss immer die Werkstatt gemeinsam mit ihren Kunden entscheiden, (vermeintlich) optimierte und veredelte Produkte zu meiden – oder zu nutzen –, weil dem Auto etwas Gutes getan werden soll.

Paradebeispiele dafür sind diverse präventive Additive oder extrem hochwertige Öle von Marken, die – etwa durch den Einsatz im Motorsport – auch Endkunden kennen. Bei beiden Produktgruppen ist die unmittelbare (positive) Wirkung für den Fahrer nicht spürbar. Und trotzdem gibt es Werkstätten, die diese – auch für mehr Umsatz – aktiv verkaufen und einfüllen. Andere wiederum machen das nicht – beispielsweise mit dem Argument, dass weniger bekannte Öle ebenso gut schmieren. Wem von beiden sollte man einen Vorwurf machen?