„Ängste sind unbegründet“
Gibt es für Werkstätten Anlass zur Sorge bezüglich aktueller Veränderungen im Teilehandel? KRAFTHAND wollte von Thomas Vollmar eine Einschätzung zu den Entwicklungen aus Sicht der Einkaufskooperation Carat, ob sich der wachsende Onlinehandel mit Ersatzteilen eher positiv oder negativ auf das Geschäft der Kfz-Betriebe auswirken wird. Dabei kam die Sprache auch auf die Carat-Teilehandelsplattform Mecanto25.
Herr Vollmar, der Teilehandel schaut im Großen und Ganzen auf ein zufriedenes Jahr zurück. Und dennoch ist eine gewisse Unruhe bei verschiedenen Teilehändlern zu spüren. Wie geht es Ihnen als Carat-Geschäftsführer?
Zunächst einmal können wir davon ausgehen, dass das Geschäft mit dem Ersatzteilverkauf in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch profitabel, ja sogar ein Wachstumsmarkt sein wird. Das sagt beispielsweise auch die jüngste McKinsey-Studie zu diesem Thema. Mit anderen Worten: Trotz der ganzen Angst, die wegen Car Sharing, E-Mobilität und Telematik umgeht, wird der Teilehandel in den nächsten zehn Jahren weiter wachsen. Bei Carat blicken wir deshalb nicht nur auf ein gutes Jahr 2017 zurück, sondern gehen auch dieses Jahr optimistisch an.
Aber dennoch gibt es Teilehändler, darunter auch Gesellschafter der Carat, die sorgenvoll in die Zukunft blicken. Warum, wenn Sie doch sagen, die nächsten zehn Jahre entwickeln sich positiv?
Natürlich gibt es Gesellschafter, die sich mit Blick auf die Marktentwicklung fragen: Habe ich auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung? Kann ich beispielsweise bei einer wachsenden Anzahl von E-Fahrzeugen genug Geschäft generieren oder bricht mein klassisches Teilegeschäft zusammen, weil etwa nicht mehr so viele Bremsenteile, nicht mehr so viele Verschleißteile insgesamt gebraucht werden?
Bei all dem muss man jedoch bedenken: Es kommen nach wie vor jedes Jahr über drei Millionen konventionelle Neufahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren auf den Markt und wir haben in Deutschland einen Bestand von etwa 45 Millionen Fahrzeugen. Um damit auf die erste Frage zurückzukommen, angesichts dieser Zahlen sind diese Ängste sicher unbegründet.
In jeder Hinsicht?
Naja, es gibt zwei Aspekte, die durchaus zu berechtigter Sorge Anlass geben. Zum einen sind das die Aktivitäten der Fahrzeughersteller, die man zumindest kritisch betrachten muss. Mit den sogenannten S-Calls und Telematiksystemen wollen die OEMs Abschottungsmechanismen einführen, die es dem freien Markt nicht leichter machen. Diese Technologien ermöglichen es, Daten nicht mehr über die OBD-Schnittstelle ausgeben zu müssen, sondern via Cloud, über die der jeweilige Hersteller die Hoheit hat. Hier ist die Politik gefragt, dass auch jeder im freien Markt Zugang zu den Daten bekommt.
Der zweite Aspekt sind die Aktivitäten aus dem Ausland. Das heißt, es sind insbesondere verschiedene amerikanische Finanzinvestoren dabei, sich bei renommierten Teilegroßhändlern ein zukaufen oder diese zu übernehmen. Hier muss man sich natürlich fragen: Was bedeutet das für mittelständische Händler? Kommt es zu einem Preiskampf, der überlebenswichtige Margen ruiniert? In diesem Zusammenhang kann ich vollkommen verstehen, dass einige Teilehändler sich Gedanken machen und sorgenvoll in die Zukunft blicken. Nicht zuletzt deshalb haben schon verschiedene Teilehändler ihr Geschäft verkauft, darunter auch Gesellschafter der Carat.
Natürlich ist es nachzuvollziehen, dass Teilehändler einen ruinösen Preiskampf be fürchten. Der Großteil unserer Leser allerdings sind Werkstattinhaber, die sich kurzfristig gedacht sogar über einen Preiskampf freuen könnten. Langfristig könnte das aber anders aussehen.
Naja, zunächst ist es nicht sicher, dass es zu einem Preiskampf kommt, wenn Amerikaner oder Investoren aus anderen Ländern hiesige Teilehandelsunternehmen über nehmen. Schließlich wollen Finanzinvestoren Geld verdienen. Sollte es dennoch dazu kommen, was immer zum Ziel hat, Marktanteile zu generieren oder gar Mitbewerber auszuschalten, haben Sie sicher recht. Kurzfristig profitieren Werkstätten davon. Langfristig wird es nicht so sein. Denn kommt es zu einer Monopolisierung im Teilehandel, ziehen die Preise wieder an. Und was noch viel schlimmer ist, der Service, den viele Werkstätten von ihrem Teilehändler des Vertrauens gewöhnt sind, könnte verschwinden. Eine vertrauensvolle langjährige Partnerschaft, wie sie viele Werkstätten und mittelständische Teilehändler miteinander pflegen, wird es bei rein gewinngetriebenen Teilehändlern, hinter denen ein Finanzinvestor steckt, nicht mehr in dem Maß geben.
Kommen wir zu den Aktivitäten von Carat. Sie haben angekündigt, im Frühjahr 2018 die Onlineplattform Mecanto25 zu starten. Erklären Sie unseren Lesern bitte, was es damit auf sich hat.
Im Prinzip haben wir vor, mit Mecanto25 die heutige stationäre Werkschöpfungskette zu digitalisieren. Das heißt, wir wollen den stationären Handel und die Werkstätten digital miteinander verknüpfen und Autofahrern eine neue nutzwertige Internetplattform bieten. Der Vorteil für die Werkstatt ist, dass sie über Mecanto25 an ganz neue Kunden kommen können. Vorteil für den Handel ist natürlich auch das Neukundengeschäft. Wir sprechen beim E-Commerzkanal-Geschäft mit Ersatzteilen immerhin von einem Volumen, das drei Milliarden Euro umfasst. Und wir haben den bescheidenen Ansatz, mit nur einem, zwei oder viel leicht drei Prozentpunkten am E-Commerzgeschäft teilzuhaben.
Wichtig dabei ist: Wir machen das nicht gegen die Werkstätten oder gegen den klassischen Teilehandel, sondern mit ihnen.
So gesehen handelt es sich bei Mecanto25 um eine Internetplattform, die ein Werkstattportal und eine Teilehandelsplattform vereint.
Wir gehen sogar noch weiter. Wir wollen das Thema Mobilität komplett aufgreifen. Das heißt, wir bieten verschiedene Smartphone-Apps an, die den Autofahrer zum Beispiel darüber informieren, wie er am besten von A nach B kommt. Etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder seinem Auto. Parkplatzsuche, Versicherungsvergleich und natürlich Telematikdienstleistungen wollen wir ebenfalls anbieten. Letzteres lösen wir etwa über einen Dongle, der vor der OBD-Schnittstelle steckt. Darüber lassen sich dann Daten an Mecanto25 und von hier aus weiter an die Werkstatt übertragen, wenn der Auto fahrer das wünscht.
Aber noch mal zurück zum Teilebezug von Mecanto25. Wenn ich es richtig verstanden habe, kommen die Teile vom Carat-Zentrallager beziehungsweise den Carat-Ersatzteilehändlern?
Die Teile werden von unserem AdCargo-Lager in Verbindung mit den Carat-Großhändlern ausgeliefert, aber immer unter der Hoheit von Mecanto25. Autofahrer und Werkstätten haben die Möglichkeit, sich die Teile direkt liefern zu lassen oder bei einem Carat-Partner abzuholen – gegebenen falls auch samstags.
Autofahrer können sich das Ersatzteil aber auch zu der Werkstatt liefern lassen, bei der sie es einbauen lassen möchten. Somit können Endverbraucher Ersatzteil und Werkstatt übers Internet auswählen und quasi zusammenbringen.
Was die Ersatzteilpreise angeht, so soll auf Mecanto25 nicht zwischen End kunde und B2B unterschieden werden? Heißt das, Werkstätten bekommen keine Rabatte?
Das ist etwas, das wir auch erst lernen mussten. In der E-Commerzwelt gibt es nur einen Preis. Man unterscheidet hier nicht zwischen den einzelnen Handelsstufen. Das ist im Übrigen der Grund, weshalb heute Autofahrer in die Werkstätten kommen und auf Internetpreise verweisen, mit denen der stationäre Handel nicht mithalten kann. Das geht auf die Kostenstruktur zurück, die gänzlich anders als im klassischen Großhandel ist. Der Großhandel muss einen Großteil der Ware vorhalten und einen gewissen Service bieten. Das kostet natürlich.
Kommt es zu einer Monopolisierung im Teilehandel, ziehen die Preise wieder an.
Aber wenn es keine Preisunterschiede mehr für Werkstatt und Autofahrer gibt, bedeutet das nicht, dass sich das Geschäftsmodell von Werkstätten ein Stück weit ändern muss? Sprich sie ihre Wertschöpfung ändern müssen?
Ich denke das wird so sein. Wir haben nun einmal eine gewisse Klientel, die Teile im Internet kauft. Das werden nie 100 Prozent sein, aber vielleicht 20 Prozent. Und darauf sollten sich Werkstätten einstellen und bei diesen Kunden einen höheren Verrechnungssatz für den Einbau verlangen. Fakt ist, wenn eine Werkstatt mitgebrachte Teile nicht einbaut, macht es eine andere. Und das trifft auch auf uns zu. Wenn wir im Internet kein Geschäft machen, machen es andere. Wir als Carat- Gruppe befeuern mit Mecanto25 doch keine Entwicklung. Es gibt eBay. Es gibt Amazon. Und es gibt noch andere, die schon lange Ersatzteile im Internet verkaufen und das noch forcieren. Deshalb sagen wir, wir können dieses Geschäft nicht liegen lassen.
Es ist ja bereits angeklungen, dass Mecanto 25 viel mehr als eine reine Teilehandelsplattform sein soll. Doch wie konkret können Werkstätten davon pro fitieren?
Ich sagte vorhin, dass es eine gewisse Klientel gibt, die im Internet kauft und sich einen Einbaupartner sucht. Und bei Mecanto25 können diese Autofahrer gleich ihre Werkstatt hinzubuchen. Für Werkstätten heißt das, dass sie sich auf der Plattform registrieren müssen und wir zertifizieren sie als Einbaupartner. Zudem wird die Plattform auch einen digitalen Terminplaner und andere Tools bieten, die Werkstätten ihren Job erleichtern sollen.
Autofahrer können sich das Ersatzteil zu der Werkstatt liefern lassen, bei der sie es einbauen lassen möchten.
Abschließend noch einmal zu den OBD-Dongels und den zukünftigen vernetzten Fahrzeugen, bei denen es zahlreiche Daten auszuwerten gilt, will man davon profitieren. In diesem Zusammenhang werden Werkstattsysteme sicher an Bedeutung gewinnen, da eine (kleine) freie Werkstatt notwendige Registrierungen etc. und die Datenverwaltung gar nicht alleine bewältigen kann. Wie sehen Sie das?
Das ist so. Die Aufgabenstellungen auf diesem Gebiet sind so komplex und so datengetrieben, dass die Bedeutung eines Werkstattsystems mit entsprechenden Serviceleistungen sicher noch wächst. Werkstätten brauchen dafür einfach starke Partner.
Herr Vollmar, herzlichen Dank.
Das Interview führte Torsten Schmidt.
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