Laut einer Analyse von ADAC und Uni Magdeburg sind Fahrzeuge unzureichend gegen Tachomanipulationen geschützt – obwohl dies technisch möglich wäre. Als möglichen Grund dafür vermutet der ADAC, dass Autohersteller selbst ohne viel Aufwand am Kilometerstand drehen können wollen.
Das Problem Tachobetrug ist nicht neu. Zu verlockend ist die Aussicht für Händler und Autofahrer, den Wert von Gebrauchtfahrzeugen zu steigern. Mindestens jedoch soll das Zurückdrehen des Kilometerstandes die Verkaufschancen erhöhen. Neu ist allerdings die Erkenntnis, dass Automobilhersteller solch unlauteres Verhalten begünstigen.
Zumindest sieht das der ADAC so. Dem Automobilclub zufolge unternehmen die Autobauer seit Jahren zu wenig gegen den Tachobetrug – obwohl dies technisch problemlos möglich wäre. Der Vorwurf reicht noch weiter. So teilt der ADAC via Pressemitteilung mit, dass viele Autos bereits ab Werk für Manipulationen „vorbereitet“ sind. Denn die Elektronik im Fahrzeug verfügt oft nur über unzureichend abgesicherte Software-Funktionen. Das eröffnet den ‚Tacho-Tricksern’ vielfach überhaupt erst die Möglichkeit, mit frei erhältlichen Manipulationsgeräten den Kilometerstand wunschgemäß zu verändern.
Sicherheitslücken ab Werk?
Grundlage dieser Annahme ist eine Studie der Universität Magdeburg. Hier haben Wissenschaftler der Arbeitsgruppe ‚Multimedia and Security’ die Fahrzeug-Elektronik eines Audi Q7, einer Mercedes E-Klasse und eines VW Passat untersucht. Dabei kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass es in der Elektronik mangelhaft geschützte Software-Funktionen gibt, die von Betrügern für Manipulationen ausgenutzt werden.
Dies wäre dem ADAC zufolge deutlich schwieriger, wenn die Automobilhersteller und ihre Zulieferer aktuelle Sicherheitstechnik einsetzen würden. Besonders verwunderlich: entsprechende Technologien wie SHE (Secure Hardware Extension) oder HSM (Hardware Secure Modules) sind zum Teil schon heute in den Steuergeräten vorhanden – aber nicht aktiviert. Warum also besteht diese Lücke? Der ADAC dazu wie folgt: ‚Der Grund könnte sein, dass Hersteller die Probefahrt-Kilometer vor der Auslieferung der Fahrzeuge gelöscht haben, um dem Kunden ein ‚Neufahrzeug‘ übergeben zu können.‘ Mit anderen Worten: Womöglich bleibt der Tacho gegenüber Manipulationen ungesichert, weil der Kilometerzähler von Neufahrzeugen nach Fahrten im Werk zurück gesetzt wird, um ein ‚vermeintlich’ ungefahrenes Fahrzeug an den Kunden übergeben zu können.
Manipulation in Sekundenschnelle
Weitere ADAC-Praxistests zeigten, dass auch bei vielen anderen Modellen der Kilometerstand in Sekundenschnelle und ohne Ausbau des Tachos manipulierbar ist. Das Sicherheitsproblem ist also herstellerübergreifend. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich auf etwa sechs Milliarden Euro jährlich. Bei dieser Angabe beruft sich der ADAC auf Aussagen der Polizei. Mit etwa drei Millionen Euro im Jahr könnten die Hersteller die drei Millionen jährlich in Deutschland verkauften Neuwagen wirksam gegen Betrug schützen. Pro Auto würde dies einen Euro Aufpreis bedeuten.
Bordsysteme als Ansatzpunkt
Neben dem Allgemeinzustand ist bekanntlich der Kilometerstand das Hauptkriterium für die Bewertung eines Gebrauchtwagens. Um dem Kilometerstand weitere Parameter für eine verlässliche Ermittlung des Fahrzeugwertes hinzufügen zu können, arbeitet die Uni Magdeburg an einem entsprechenden Projekt. Ansatzpunkte für weitere Beurteilungskritikrein hinsichtlich der Laufleistung bieten die aufgrund der Digitalisierung immer komplexeren Bordsystemen.