Abgasskandal: Rücktritt vom Vertrag bei manipulierten VW-Motoren möglich
Der VW-Abgasskandal hat für viel Aufregung gesorgt und ist noch längst nicht abgeschlossen. Immer neue Fälle werden bekannt und in den USA sind Verfahren anhängig, deren Vergleichssummen erheblich sind. Auch in Deutschland sehen sich Käufer getäuscht und wollen den Vertrag rückgängig machen. Wie müssen Autohändler damit umgehen und was kommt auf sie zu?
Das Landgericht München I (Az. 23 O 23033/15) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Käufer den Kaufvertrag über einen Seat mit manipulierter Abgassoftware rückabwickeln wollte. Der Motor des Seat war von der manipulierten Software betroffen. Im Verkaufsgespräch betonte der Käufer folgende Wunschkriterien, die sein neues Fahrzeug erfüllen sollte: geringer Schadstoffausstoß, korrekte Angaben zum CO2-Ausstoß, niedriger Kraftstoffverbrauch und hohe PS-Leistung.
Reale Schadstoffwerte
All das bestätigte der Autohändler und empfahl den Seat, insbesondere auch deshalb, weil das Verkaufsprospekt diese Anforderungen entsprechend bewarb. Nach Übergabe stellte sich jedoch heraus, dass der Seat vom Abgasskandal betroffen ist. Die realen Schadstoffwerte werden durch die manipulierte Software verschleiert, wobei die tatsächlichen Auswirkungen bislang noch nicht abschließend geklärt sind. Technisch war das Fahrzeug jedoch sicher und fahrbereit. Der Käufer verlangte gleichwohl vom beklagten Autohändler die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Kfz.
Falschen Schadstoffangaben
Das LG München I hat erstmals einer solchen Klage stattgegeben. Die falschen Schadstoffangaben seien als arglistige Täuschung anzusehen, sodass der Käufer-Kunde den Vertrag anfechten könne. Die Angaben zum Schadstoffausstoß seien objektiv unrichtig gewesen. Der Händler müsse sich auch die Kenntnis des Volkswagen-Konzerns zurechnen lassen, insbesondere weil er im Internet als hundertprozentige Tochter des Konzerns geworben habe.
Geringer Schadstoffausstoß
Das Gericht merkte außerdem an, dass es treuwidrig sei, zunächst den geringen Schadstoffausstoß anzupreisen, dann aber das Fehlen als ‚geringfügig’ einzustufen. Das LG München I bejahte zusätzlich ein Rücktrittsrecht des Kunden. Der Schadstoffausstoß war fehlerhaft und der Händler hatte trotz Fristsetzung kein Update oder dergleichen zur Fehlerbeseitigung durchgeführt.
Manipulation
In Abweichung zum Urteil des LG Bochums vom 16. März 2016 ( Az. I-2 O 425/15) sei die Manipulation auch nicht als nur ‚unerheblicher’ Mangel anzusehen, der einer Rückabwicklung entgegenstehen würde. Zur Beurteilung der Erheblichkeit müsse eine umfangreiche Interessenabwägung vorgenommen werden. Hierbei sind der Aufwand der Mängelbeseitigung und der Verschuldensvorwurf einzubeziehen. Bei Arglist ist eine unerhebliche Pflichtverletzung jedoch grundsätzlich zu verneinen. Der Autohändler muss den Kaufpreis (nebst Zinsen) zurückzahlen und das Fahrzeug zurücknehmen. Vom Kaufpreis kann der Händler lediglich den durch die Nutzung des Kfz gezogenen Gebrauchsvorteil abziehen.
Fazit
Das Urteil des Landgerichts ist das erste in diesem Umfang. Demnach können Käufer vom Abgasskandal betroffener Kfz den Kaufvertrag unter Umständen wegen Arglist anfechten und Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Sie müssen sich nur den durch die Nutzung gezogenen Vorteil abziehen lassen.
Praxistipp
Die Arglist führt das LG München auf die besonderen Umstände des Verkaufsgesprächs und der ausdrücklichen Empfehlung und Bezugnahme auf das Verkaufsprospekt zurück. Hinzu kam, dass der Händler als Tochter des VW-Konzerns warb. Im Übrigen kann aber nicht ohne Weiteres Arglist des Verkäufers unterstellt werden. Hier ist der jeweilige Einzelfall entscheidend.
Geringfügiger Mangel
‚Das Landgericht Bochum hatte mit Urteil vom 16. März 2016 (Az. I-2 O 425/15) komplett gegenteilig entschieden. Demnach sei die Manipulation der Software nur als geringfügiger Mangel einzustufen und könne durch ein einfaches und kostengünstiges Update (ca. 100 €) behoben werden. Das Update müsse der Händler zwar im Rahmen der Gewährleistung vornehmen. Ein Rücktritt und somit die gesamte Rückabwicklung des Vertrags scheide aber aus.
Praxistipp
Bei Zweifeln an den Schadstoffwerten sollten Händler dies (nachweislich) ihren Kunden mitteilen und soweit möglich unter Umständen aus Kulanz ein Update der Software veranlassen.
Autor: Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, Tel. 030/31 17 91 06, mail@ra-rehfeldt.de www.ra-rehfeldt.de
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