GVA zum Phänomen steigender Reparaturkosten

„Abenteuerliche Aufschläge bei Monopolteilen“

Bild: Oleksandr – stock.adobe.com

Der Goslar Diskurs 2024 beschäftigte sich mit der Frage: „Wachsen die Reparaturkosten in den Himmel?“ Tenor der Expertenrunde: Ersatzteile werden immer teurer, Stundenverrechnungssätze gehen weiter nach oben. Im Interview nimmt GVA-Präsident Thomas Vollmar Stellung zum Phänomen der wachsenden Reparaturkosten und erklärt, warum freie Werkstätten davon profitieren könnten.

Nach Angaben der deutschen Versicherer (GVA) erhöhten die Autobauer ihre Ersatzteilpreise seit 2013 im Schnitt um mehr als 70 Prozent. Kofferraumklappen und hintere Seitenwände legten demnach im genannten Zeitraum um 93 Prozent, Rückleuchten sogar um 97 Prozent zu. Als Preistreiber identifizierten die Experten die Autohersteller. Sie profitierten von einem Quasi-Monopol, das ihnen die Designschutzrichtlinie 98/71/EG der EU einräumt. Außerdem macht die Autoindustrie kein Hehl daraus, ihr Ersatzteil- und Werkstattgeschäft ausbauen zu wollen. Zu diesen und weiteren Themen hat Krafthand GVA-Präsident Thomas Vollmar befragt.

Thomas Vollmar ist Präsident des Gesamtverbands Autoteilehandel. Bild: GVA

Herr Vollmar, welche Gründe sehen Sie für die Preissteigerungen? Werden sie tatsächlich vom Designschutz seitens der OEM begünstigt?

Der Designschutz und seine in Deutschland sehr lange Übergangsfrist bei sichtbaren karosserieintegrierten Ersatzteilen sind definitiv Treiber der Preissteigerung. Bis bei diesen Teilen eine preisdämpfende Wirkung durch den freien Markt eintritt, wird es leider noch einige Zeit dauern. Es sei denn, es kommt eine EU-weite einheitliche Reparaturklausel mit kürzeren Übergangsfristen. Dementsprechend begrüßt der GVA, dass die EU-Kommission ihre Ziele „Öffnung des Anschlussmarkts für Ersatzteile für den Wettbewerb“ und „Vollendung des EU-Binnenmarkts für Ersatzteile“ weiterverfolgt und damit das Thema einheitlich regeln will. Dafür setzt sich der GVA seit geraumer Zeit ein.

Was spielt noch eine Rolle?

Fairerweise muss auch berücksichtigt werden, dass die massiven Lieferkettenstörungen seit 2020, die Explosion der Rohstoffpreise etwa bei Lithium, Nickel und seltenen Erden und nicht zuletzt die gesetzliche Sorgfaltspflicht bezüglich Menschenrechte und Umweltstandards erhebliche Auswirkungen auf die Produktionskosten einiger Ersatzteile gehabt haben. Diese rechtfertigen aber keinesfalls die erlebten Preissteigerungen. Hier haben Hersteller im Zug der Preiserhöhungswelle teils abenteuerliche Aufschläge gemacht. Am meisten davon betroffen waren die sogenannten Monopolteile, die nur über den Fahrzeughersteller zu beziehen sind oder auch die Low-Interest-Artikel, deren Preise in der Handelskette nicht im Fokus für einen Preisvergleich stehen.

„Da die freien Werkstätten keine repräsentativen Markenpaläste bauen müssen, Multi-Diagnosegeräte einsetzen können und von ihren Teilegroßhändlern bestens unterstützt werden, werden sie von der beschriebenen Gesamtentwicklung profitieren.“

Wie schaffen es die OEMs, diese Preissteigerungen durchzusetzen?

Die Autobauer haben vor allem bei sichtbaren karosserieintegrierten Ersatzteilen in Deutschland eine hohe Preissetzungsmacht. Die preisdämpfende Funktion des Wettbewerbs auf dem Automotive Aftermarket kommt hier noch nicht zum Tragen. Das gleiche Phänomen lässt sich bei Teilen beobachten, die OEMs selbst herstellen und auf die der freie Teilehandel keinen Zugriff hat. Hinzu kam der Effekt, dass die Nachfrage bei manchen Produkten höher war als das Angebot, welches durch die Lieferkettenstörung begrenzt war. Hier entwickelten sich unsere Teilehändler wieder einmal zu wahren Beschaffungskünstlern, da sie in der Lage waren, auf alternative Lieferanten zuzugreifen, was wiederum eine preisdämpfende Wirkung im Markt hatte und die Preissetzungsmacht der Fahrzeughersteller beschränken konnte.

Inwiefern lässt sich beobachten, dass die OEMs ihr Ersatzteil- und Werkstattgeschäft weiter ausbauen?

Der Automotive Aftermarket ist ein lukrativer und umkämpfter Markt. Dementsprechend logisch ist es, dass die Fahrzeughersteller versuchen, das Ersatzteilgeschäft über ihren Vertriebskanal und auch ihr Werkstattgeschäft auszubauen. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt allerdings, dass die Zahl der Vertragswerkstätten zurückgeht und die Zahl der freien Betriebe steigt. Der GVA sieht das sportlich. Wir fordern keine Sonderbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung für die Akteure auf dem Automotive Aftermarket.

„Die Fahrzeughersteller haben vor allem bei sichtbaren karosserieintegrierten Ersatzteilen in  Deutschland eine hohe Preissetzungsmacht.“

Gibt es für den freien Markt vergleichbare Zahlen zur Ersatzteilpreisentwicklung in den vergangenen zehn Jahren?

Grundsätzlich unterliegt auch der freie Teile- und Reparaturmarkt den marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Die Teileindustrie war und ist in gleichem Maß von weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen betroffen und muss die Kostensteigerungen an den Handel und dieser an die Werkstatt/den Autofahrer weitergeben. Allerdings gibt es hier einen funktionierenden Wettbewerb ohne Monopolteile. Abgesehen von einigen Ausreißern konnte die Ersatzteilpreisentwicklung daher in den vergangenen zehn Jahren moderat gehalten werden. Aufgrund der hohen Transparenz auf Onlineplattformen herrscht ein hoher Preisdruck beim Großhandel, was wiederum zu bezahlbaren Ersatzteilen für die Werkstatt und die Autofahrer führt.

Kann der freie Markt insofern mitprofitieren, dass auch dort die Stundenverrechnungssätze steigen? Oder profitiert er anders von dieser Gesamtentwicklung oder gar nicht?

Wir stellen fest, dass die Stundenverrechnungssätze in den Vertragswerkstätten aufgrund der Auflagen durch die Fahrzeughersteller, aber auch aufgrund der gesetzlichen Auflagen für die Reparatur von Elektrofahrzeugen dramatisch gestiegen sind. Hier finden Differenzierungen nach Antriebsart und Fahrzeugklasse statt, was in der Spitze Stundenverrechnungssätze von mehr als 300 Euro möglich macht. Der freie Reparaturmarkt ist ebenfalls von diesen Auflagen betroffen und muss auf Wirtschaftlichkeit achten.

Worin liegt ein Unterschied und was heißt das?

Da die freien Werkstätten keine repräsentativen Markenpaläste bauen müssen, Multi-Diagnosegeräte einsetzen können und von ihren Teilegroßhändlern auf allen unternehmerischen Ebenen bestens unterstützt werden, werden sie von der beschriebenen Gesamtentwicklung profitieren, zumal auch sie ihre Stundenverrechnungssätze mit Augenmaß erhöht haben. Gerade im Hinblick auf die aktuelle volkswirtschaftliche Entwicklung mit Inflation und schwindender Kaufkraft sowie älter werdenden Fahrzeugen werden die Freien auch in den nächsten Jahren ihren Anteil am Reparaturgeschäft festigen und ausbauen können!

Herr Vollmar, vielen Dank.

 

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