24h-Rennen, Pro-Handicap: Wolfgang Müller im Interview
Das Team Pro-Handicap e.V. erreichte bei der 40. Auflage des 24h-Rennens 2012 am Nürburgring den ersten Platz in der Klasse SP-4T und den Gesamtrang 59. Krafthand-Online sprach mit Teamchef, Gründer und Fahrer Wolfgang Müller über den Audi TT-S, die Technik, die Fahrzeugbeherschung trotz vermeintlicher Behinderung sowie das Leuchtturmprojekt.
Krafthand-Online: Sehr geehrter Herr Müller, wie kamen Sie selbst zum Motorsport?
Wolfgang Müller: Vom Thema Motorsport träumte ich schon als kleines Kind. Aufgrund meiner Behinderung (Anm.d.Red.: Durch Komplikationen bei der Geburt hat Wolfgang Müller seinen linken Unterarm verloren) war dies jedoch realistisch immer sehr weit weg. Ich interessierte mich auch schon lange für die schwierigste Rennstrecke der Welt, die Nürburgring-Nordschleife. Irgendwann bin ich dann einfach hingefahren und habe ein paar Runden gedreht – nicht wie viele Anderen einfach drauf los, sondern ich wollte es wirklich lernen. Dies ist mir über die Jahre – denke ich – sehr gut gelungen.
KHO: Sie bestreiten seit 2005 das 24h-Rennen auf dem Nürburgring, zuerst auf einem Opel Astra H Caravan, nun bereits das Dritte mal mit einem Audi TT-S. Sind Umbauten nötig beziehungsweise überhaupt zulässig, damit Sie das Fahrzeug am Limit über die Nordschleife bewegen können?
Wolfgang Müller: Die Frage wird mir oft gestellt und mit Verwunderung die Antwort zur Kenntnis genommen. Nein, es sind keinerlei Umbauten am Fahrzeug vorgenommen worden. Ich lenke mit meinem linken Arm und schalte mit rechts. Das geht wunderbar – wenn man sich daran gewöhnt hat. Ich möchte einfach zeigen was mit einer Behinderung machbar ist und andere damit motivieren. Im Übrigen erlaubt das Reglement einen Fahrzeugumbau gar nicht. Zusätzlich wäre es auch nicht machbar, dass ich beispielsweise mit einer Lenkhilfe fahre und meine nicht-behinderten Kollegen Oliver Rudolph und Aditya Kamlesh Patel dann einfach so das Fahrzeug übernehmen. Außerdem möchten wir mit den gleichen Waffen kämpfen wie alle anderen.
KHO: Ich darf trotzdem nochmal nachhaken und auf die Fahrzeugbeherschung zurückkommen. Der TT-S bewegt sich aufgrund seines kurzen Radstandes speziell in Grenzbereichen unheimlich und damit auch das Lenkrad. Es wirken sehr hohe Querkärfte – speziell in engen Fahrsituationen. Ist dies denn mit diesem Handicap machbar?
Wolfgang Müller: Die Frage ist natürlich angebracht. Nur ich darf eines voraus schicken: Ich kenne es nicht anders. Wenn ich beispielsweise auf das Veedol-S zufahre, fliege ich im fünften Gang in Vollast an und schalte dann zurück. Da kann es schonmal passieren, dass das Fahrzeug hinten ausbricht – zumal wenn ein Mitbewerber überholen möchte. Das muss man dann eben aussteuern.
KHO: ..und mit der rechten Hand schalten Sie, sequentiell oder über eine klassisches H-Schaltung?
Wolfgang Müller:Wir verzichten bewusst auf ein sequentielles Getriebe. Es würde uns zwar rund 10-15 Sekunden pro Runde bringen, es wird aber auf der Nordschleife extrem belastet, da ich die Gänge nur reinreisse, den Rest macht die Elektronik. Damit ist es auch anfälliger. Wir haben rund 140 Schaltvorgänge pro Runde auf der Nordschleife. Dies bedeutet in der Konsequenz aber auch 140 Mal Aus- und Einkuppeln. Aber auch an das gewöhnt man sich.
KHO: Sieben Jahre Erfahrung in der ‚Grünen Hölle‘. Da gabs doch sicher auch den einen oder anderen witzigen Moment?
Wolfgang Müller: Ja, klar. Ich fuhr beispielsweise die letzte Rechtskurve am Galgenkopf mit rund 180 h/km an. Man lenkt relativ spät ein, kommt aber eben schnell wieder aus der langgezogenen Kurve heraus. Hinter mir kommt Jutta Kleinschmidt mit einem 330er BMW mit Geschwindigkeitsüberschuss angeflogen. Ich sehe sie und winke Sie mit der rechten Hand vorbei. Sie geht Außen wie vorgesehen vorbei, ich kann mich jedoch Richtung Döttinger Höhe in ihren Windschatten setzen. So sind wir hintereinander in die Box gefahren.
KHO: Das heisst Sie konnten das Tempo mitgehen und haben sich in der Box getroffen?
Wolfgang Müller: Ja. Wir haben uns dann nach dem Fahrerwechsel in den Boxen getroffen und Jutta Kleinschmidt fragte: Sag mal, bist Du da gerade aus diesem Auto gestiegen? Wie hast Du denn gelenkt als Du mich vorbeigewunken hast? Dies sind die amüsanten Momente die man so miterlebt. Sie konnte es kaum glauben, zumal ich Ihre Speed bis Start/Ziel mitgehen konnte. Das ist nun vier Jahre her.
KHO:Die Teilnahme am 24h-Rennen ist mit großem Aufwand verbunden. Wie groß ist die gesamte Crew und wie wird das Projekt ‚Leuchtturm‘ überhaupt finanziert?
Wolfgang Müller:Wir sind 14 Leute plus uns drei Fahrer. Wir werden von einigen privaten Sponsoren tatkräftig unterstützt. Unser Projekt stößt auch immer wieder auf großes Interesse und offene Ohren. Wenn es dann aber in konkrete Verhandlungen geht ziehen sich viele wieder zurück. So geht es aber auch den anderen Teams. Wir sind also gerne offen für weitere Partner.
KHO:Sie planen nächstes Jahr eine erneute Teilnahme bei den 24h?
Wolfgang Müller: Wir sind quasi jetzt schon in der Planungsphase für die 24h 2013. Eventuell fahren wir auch ein anderes Auto. Dies hängt jedoch alles von der Finanzierung ab. Nur wenn diese gesichert ist, kann das nächste Projekt ‚Leuchtturm‘ gelingen. Im Übrigen werden wir unser Fahrzeug vorab bei einigen VLN-Rennen testen um es optimal auf das Rennen abzustimmen.
Georg Blenk: Herr Müller, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche bestes Gelingen für das Rennen 2013 und Ihre Projekte im Rahmen von Pro-Handicap e.V.
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