Old- & Youngtimer

Bekenntnis zum Frontmotor

Wenn Techniker und Designer sich austoben dürfen, entsteht ein Ferrari 365 GTB/4, besser bekannt als Ferrari Daytona. Seine Popularität aber verdankt der 70er-Jahre-Schönling einer Fernsehserie.

Die markanten Klappscheinwerfer des Ferrari 365 GTB/4 waren Teil einer Überarbeitung aufgrund geänderter Sicherheitsvorschriften. Bild: The Image Engine - stock.adobe.com

Ende der 60er Jahre arbeitete der Konkurrent Lamborghini beim leistungsstärksten Straßensportwagen Miura mit einem Mittelmotor. Aber Enzo Ferrari blieb auf der Suche nach einem Nachfolger für das Spitzenmodell 275 GTB/4 seinen Überzeugungen treu: Wenn ein Ferrari durch die Straßen rollt, hat der Motor vor dem Fahrer und nicht vor der Hinterachse zu sitzen. Leonardo Fioravanti, der Designer von Pininfarina, griff Enzo Ferraris Überzeugungen nicht nur auf, sondern verpasste dem Neuen eine überlange Frontpartie als Bekenntnis zum Frontmotor.

Sechs Doppelvergaser regeln Gemischaufbereitung

Das Aggregat brauchte ja schließlich Platz. Das bewährte Konzept des V12-Motors mit einem Zylinderbankwinkel von 60 Grad war bereits seit Ende der 40er Jahre im Einsatz und im Lauf der Zeit nur etwas überarbeitet und der Hubraum auf 4,4 Liter erhöht worden. Der Motor hat eine Trockensumpfschmierung, auffällig sind die zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderreihe, die über zwei Ketten angetrieben werden.

Filigran ist die Gemischaufbereitung: Sechs Fallstrom-Doppelvergaser von Weber machen die perfekte Einstellung des Motors zu einer aufwendigen (und bis heute kostspieligen) Raketenwissenschaft. Mit 352 PS (259 kW) erreicht der Daytona bei 7.500 Umdrehungen pro Minute seine Höchstleistung. Der Motor wurde so weit wie möglich Richtung Fahrerzelle geschoben. Die Kraftübertragung erfolgt mittels Trockenkupplung und Transaxlekonzept. Das vollsynchronisierte manuelle Fünfgang-Schaltgetriebe ist an der Hinterachse positioniert. So ist die Gewichtsverteilung nahezu optimal. Natürlich war der Daytona mit einer Spitzengeschwindigkeit von 280 km/h schneller als der Miura. Enzo Ferrari hatte die Leistungsstärke eines Frontmotors damit unter Beweis gestellt.

Auch die Karosserie bot einige Besonderheiten. So waren die vorderen Doppelscheinwerfer feststehend hinter einem Plexiglasband positioniert, wurden aber aufgrund geänderter Sicherheitsvorschriften im Hauptabsatzmarkt USA ab 1971 durch Klappscheinwerfer ersetzt. Zudem löste ein niedriges Rechteck die bis dahin üblichen ovalen Kühlluftöffnungen ab.

Der 365 GTB/4 und seine Spider-Version 365 GTS/4 zählen bis heute zu den teuersten Ferrari-Sammlerstücken, wobei in den besten Zeiten der Spider bis zu vier Mal so hohe Preise erzielte wie eine Berlinetta (Coupé). Zwischen 1969 und 1973 wurden 1.284 Coupés gebaut und rund 120 offene Sportwagen, wovon allein 96 Spyder in die USA geliefert wurden. Rund 100 Besitzer ließen ihr Coupé in der Hoffnung auf eine exorbitante Wertsteigerung zum Spyder umbauen. Diese sogenannten Conversions erzielen aber lange nicht die erwarteten Preise.

Der Star in Miami Vice war ein Replica

Dass der 365 GTB/4 überhaupt lässig die Millionen-Euro-Grenze durchbrach, lag vor allem an Miami Vice, der Kultkrimiserie Mitte der 80er Jahre. Drogenfahnder Sonny Crockett (alias Don Johnson) ging mit einem schwarzen Daytona Spider auf Verbrecherjagd und machte das Fahrzeug extrem beliebt. Jedoch handelte es sich vor der Kamera nur um ein Replica auf Corvette-Basis, was dem Hype aber keinen Abbruch tat. Ferrari allerdings erwirkte irgendwann ein Verbot für den falschen Daytona. In der ersten Folge der dritten Staffel flog der beliebte Polizei-Superschlitten dann auch laut Drehbuch in die Luft und wurde von Ferrari durch einen echten Testarossa ersetzt.

Eine bis heute umstrittene Entscheidung. Noch 2003 sagte ein Mitarbeiter des Auktionshauses Sotheby’s: „Das Fahrzeug, das Design, die Gene, alles was den Daytona ausmacht, kommt aus Italien. Aber der Mythos kommt aus Miami. Für alle Welt fuhr Sonny Crockett einen Daytona. Statt es zu verbieten, hätte Enzo Ferrari stolz darauf sein sollen.“

Bis heute spielt Ferrari mit dem Mythos. In der aktuellen Modellreihe wird der Ferrari 812 GTS als legitimer Daytona-Nachfolger gefeiert. Und in einer Sonderedition wird der supermoderne Ferrari Daytona SP3 angeboten. Ein Spyder, bei dem der Motor allerdings vor der Hinterachse sitzt.

 

Hinweis: Die Experten der zentralen GTÜ-Klassikabteilung haben die Expertise für Klassiker aller Art und kennen die spannenden Aspekte jeder Historie. Krafthand veröffentlicht in loser Folge exklusive Einblicke in die umfangreiche Datenbank der Sachverständigenorganisation.

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