Long Live the King
Die Experten der zentralen GTÜ-Klassikabteilung besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation.
Als Defender-Fahrer lernt man recht schnell, dass es nur zwei Meinungen zum Ur-Land-Rover gibt: Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Dazwischen gibt’s nichts! Zumindest lautet so das Urteil derjenigen, die einen „Landy“ schon mal länger als bis zum nächsten Supermarkt bewegt haben. Den meisten kommt er doch zu spartanisch und unkomfortabel daher. Gerade auf längeren Strecken mag er seine Insassen so gar nicht verwöhnen.
Zwar hatte Rover im Portfolio der 1960er Jahre den Rover P6 als Antwort auf komfortables und vor allem individuelles Reisen und der amerikanische Trend für angenehm ausgestattete Geländewagen ließ die Briten von einem Absatzmarkt träumen, den sie sich in der damals angeschlagenen Lage durch den Rückgang militärischer Überseeaufträge nicht entgehen lassen konnten.
So begann 1966 das vierköpfige Team um Roger Crathorne alias Mr. Land Rover persönlich und unter der Leitung von Charles Spencer King einen Wagen zu konstruieren, dessen Karosserie ohne Einfluss eines großen Designers auf große Fensterflächen, gerade Linien und eine zweigeteilte Heckklappe setzte. Letztere war ein adaptiertes Stilmittel, welches man sich vom Jeep Wagoneer oder Ford Bronco absah.
Dass es nicht immer einen großen Designer braucht, zeigte kurz nach Markteinführung die Ausstellung im Pariser Louvre als „mustergültiges Industriedesign“. Zuvor aber drehte der Prototypen-Range unter dem Decknamen Velar, was so viel bedeutet wie verschleiert und sich aus den Buchstaben des Worts „Land Rover“ herleiten lässt, schon bald seine ersten Testrunden durch den Sand der Sahara. Sie sollte er später unter furiosen Umständen wiedersehen.
Der Urvater moderner SUVs
Nach nur drei Jahren Entwicklungszeit rollte schließlich am 17. Juni 1970 der Urvater der heutigen SUVs vom Band und veränderte die motorisierte Welt nachhaltig. Der Range Rover war geboren. Um einen Leiterrahmen herum gab man in die Zutatenliste ein paar Starrachsen mit Schraubenfedern sowie einen permanenten Allradantrieb, der das Drehmoment paritätisch auf Vorder- und Hinterachse verteilte. Diese wiederum konnten durch ein sperrbares Mittendifferenzial starr miteinander verbunden werden. Befeuert wurde die Fuhre schließlich mit einem 3,5-Liter-Leichtmetall-V8 von Buick, der 135 Pferdestärken und ein sattes Drehmoment von 253 Newtonmeter entfesselte.
Die ersten zehn Jahre fuhr der englische Herrenbeschleuniger lediglich als Dreitürer vor, obgleich der erlauchten Kundschaft auch nach einem Fünftürer verlangte. Zu diesem Zeitpunkt aber bereits unter British Leyland-Flagge fahrend, waren für die Entwicklung eines Fünftürers schlicht keine finanziellen Mittel vorhanden und man beauftragte kurzerhand Peter Monteverdi in der Schweiz. So entstanden zwischen 1980 und 1982 insgesamt 167 Range Rover Monteverdi, bevor man die Produktion im August 1981 unter die eigenen Fittiche nahm. Damals ging das Gerücht um, dass selbst der Buckingham-Palast solch einen emigrierten Engländer fuhr.
Für echte Abenteurer
Auch ein Automatikgetriebe fand nun den Weg auf die Orderliste und verhalf dem Wagen zu mehr Komfort. Schaut man heute in den Innenraum der ersten Baujahre, mag man das Luxusimage suchen, mit dem sich der Range über die Jahre aufgeladen hat. Und dennoch, für damalige Verhältnisse und erst recht im Vergleich zur Land-Rover-Serie bot der Range pure Bequemlichkeit für einen Geländewagen. Dabei blieb er immer ehrlich und echt. Der Begriff Geländewagen war damals noch ein Versprechen und nicht nur Synonym für eine Fahrzeugklasse, die unter der Bezeichnung Sport Utility Vehicle höhergelegte und mit breiten Plastikabdeckungen verzierte Abenteuer suggeriert.
Mit der hohen Bodenfreiheit und dem permanenten Allradantrieb, der für eine hervorragende Traktion abseits der Straße sorgte, konnte sich der Range selbstbewusst auf echte Abenteuer einlassen. So gewann er 1979 mit seinem Fahrer Alain Génestier und Copilot Joseph Terbiaut die Autowertung der ersten Paris-Dakar-Rallye und zeigte mit Schirm, Charme und Stil, was der feine Brite aus Solihull auf der Pfanne hatte.
Nach diversen Detailverbesserungen folgte 1988 motorseitig die Vergrößerung von 3.500 Kubikzentimeter auf 3,9 Liter und im September 1992 kam mit dem LSE der um 20 Zentimeter längere und auf 4,2 Liter erstarkte Range Rover auf den Markt. Mit Luftfederung und Co sollte er die Kunden der Mercedes S-Klasse ins Visier nehmen. Nach diversen Sondermodellen wie dem berühmten „Vogue“ waren 26 Jahre später ganze 326.070 Einheiten produziert und die erste Generation des Range Rover ging im Februar 1996 in den Ruhestand.
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