Was ist LSPI und wenn ja warum?
Low Speed Pre Ignition – kurz LSPI – ist eine ungewollte Selbstentzündung bei Benzinern, die nicht selten kapitale Motorschäden verursacht. Krafthand erklärt Hintergründe und was Kfz-Profis tun können, um diesen Effekt zu verhindern.
Abgasturbolader beim Benziner, Downsizing und Benzin-Direkteinspritzung sind Begriffe, die zum Standardwortschatz eines Automechanikers gehören. Warum diese Schritte seitens der Automobilhersteller unternommen wurden, ist ebenfalls jedem Kfz-Profi bekannt: Die CO2-Emissionen und der Verbrauch sollen reduziert werden – bei gleichzeitiger Leistungssteigerung.
All das geht natürlich nicht ohne Nachteile vonstatten. Neben dem teilweise rauen Motorlauf durch geringe Hubräume, hohe Innendrücke und Reduzierung der Zylinderzahl können laut Meinung einiger Experten zusätzliche Verschleißerscheinungen am Motor auftreten.
Eines der gefährlichsten Phänomene soll dabei ein noch nicht vollständig erforschtes Problem sein: die sogenannte Low Speed Pre Ignition, kurz LSPI. Die Abkürzung lässt sich am besten als Frühzündung bei niedrigen Drehzahlen übersetzen. Aber was passiert da genau?
Das Symptom der ungewollten Selbstentzündung
Bei diesem von Dr. Christoph Hochstein, Leiter technische Entwicklung bei Tunap, auch Vorentflammung genannten Effekt zündet das Kraftstoff-Luftgemisch vor der Auslösung durch die Zündkerze. Das entflammte Brenngas erzeugt einen Gegendruck, der leicht bei 200 bis 300 bar liegen kann. Viele Motoren sind für diese Drücke – auch kurzzeitig – nicht ausgelegt, da die vorgesehene Dauerlast bei Downsizingmotoren in der Regel bei 90 bar liegt, die Spitzenlast um die 120 bar.
Kfz-Profis denken aufgrund der Beschreibung jetzt sicher an ein klassisches Motorklopfen, das bekanntlich besonders bei hoher Last und Drehzahl auftritt. David Kaiser, Leiter Forschung und Entwicklung von Liqui Moly, macht bei der LSPI aber einen Unterschied aus.
Das Klopfen entsteht nicht bei hohen Belastungen, sondern im sogenannten Sweet Spot. Mit Sweet Spot ist in der Motorenentwicklung der optimale Drehzahlbereich bei Teillast gemeint. Ein Bereich, der eigentlich perfekt für eine hohe Langlebigkeit, einen geringen Verbrauch und geringe Emissionen sein sollte.
Ablagerungen im Brennraum lassen sich bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung kaum vermeiden.
Auf Dauer führt diese Art der Vorentflammung zu Rissen am Feuersteg des Kolbens sowie an den Kolbenringnuten und zu gebrochenen Kolbenringen. Das bedeutet einen kapitalen Motorschaden. Helge Kohrs, Product Application Specialist bei Shell, kann darüber hinaus sogar schwere Schäden am Turbolader bestätigen, die mit der Überschreitung des Höchstdrucks im Motor einhergehen.
Da LSPI nur sporadisch und nicht permanent abläuft, ist es laut Liqui Moly schwierig zu diagnostizieren. Denn während der Fahrt seien die unerwünschten Selbstzündungen für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar. Alexander Hornoff, Technikexperte bei Motul, widerspricht in diesem Punkt zum Teil. Er merkt an, dass zumindest der Leistungsverlust deutlich wahrnehmbar sei und es durchaus zu hörbaren Geräuschen kommen könne.
Die Faktoren – wie kommt es zur Low Speed Pre Ignition
Langzeittests und Forschungen auf dem Prüfstand haben einen ersten Schuldigen gefunden: das Motoröl. Ein wesentlicher Ausgangspunkt für Vorentflammungen sind laut Kaiser Kraftstoff-Öl-Tröpfchen. Auch Dr. Hochstein betont, dass der Kraftstoff beim Einspritzen die mit Öl geschmierte Zylinderwand benetzt. Dadurch entsteht ein punktuelles Gemisch aus Öl und Kraftstoff, aus dem sich während der Kompressionsphase kurz vor dem oberen Totpunkt der Kolbenbewegung Tröpfchen lösen können.
Motorenöle mit sehr niedrigen Viskositäten tragen eine Mitschuld.
Die Ursache liegt somit in einer geringeren Oberflächenspannung und Viskosität des Gemischs. Als weitere Eigenschaft besitzt diese Verbindung eine höhere Zündwilligkeit als der reine Ottokraftstoff. Bei höherem Druck und steigenden Temperaturen kann es auf diese Weise zur Selbstentzündung der Tröpfchen kommen.
Hornoff macht für diesen Effekt zusätzlich die bei Benzindirekteinspritzern verwendeten Fuel-Economy-Motorenöle mit sehr niedrigen Viskositäten (SAE 0W16, 0W20, 5W20) verantwortlich, da sie durch ihre Eigenschaften wesentlich zur Verdünnung beitragen.
Als Auslöser für LSPI steht bei den von uns befragten Experten zudem noch ein zweiter Effekt im Fokus: Auch feste Stoffe wie Partikel oder Ablagerungen können im Brennraum bei ausreichender Temperatur eine vorzeitige Zündung verursachen. Obwohl Hersteller und Zulieferer enorme Kapazitäten in die Verhinderung von Ablagerungen im Brennraum stecken, lassen sich diese in Ottomotoren mit Direkteinspritzung kaum vermeiden.
Die Gründe dafür liegen laut Tunap-Experte Dr. Hochstein unter anderem in höchst unterschiedlichen Nutzungsprofilen der Autofahrer und der sehr uneinheitlichen Zusammensetzung von Kraftstoffen und Motorölen.
Im Kern können die genannten Einflussfaktoren zu rußender Verbrennung oder Öleintrag im Brennraum führen. Die entstehenden Ruß- oder Ölpartikel lagern sich an den Wänden oder Bauteilen wie Kolben oder Ventilen ab. Durch Vibrationen oder auch die Einspritzung des Kraftstoffs können Partikel gelöst werden. Die sich frei bewegenden Partikel nehmen die Temperatur im Brennraum auf und können diese nicht mehr über Wände oder Bauteile abführen. Durch die Zündung werden die Kleinstteile zum Glühen gebracht. Sind die Partikel so groß, dass sie nicht rechtzeitig verlöschen, können sie das Kraftstoff-Luftgemisch vorzeitig entflammen.
Die Lösung – LSPI verhindern
Da sich das Design der bereits verbauten Motoren nachträglich nicht mehr ändern lässt, ist es deshalb wichtig, praktikable und funktionsfähige Lösungen anzubieten. Ölhersteller wie Shell oder Motul haben mit speziellen Formulierungen reagiert. Ihre Motorenöle besitzen zum Teil bereits die benötigten Eigenschaften, um den Motor vor Fehlzündungen zu schützen.
Beispielsweise gibt Shell für seine Helix-Ultra-Öle eine neue zusätzliche Kategorie an – bekannt als API (American Petroleum Institute) SN PLUS –, die einen speziellen LSPI-Test beinhaltet. Auch Motul betont, mit dem Motoröl PSA B71 2290 die Vorgaben des PSA-Konzerns bezüglich LSPI-Kompatibilität zu erfüllen.
Der dritte Einflussfaktor ist noch ungelöst.
Aber auch bei den Additiven für Kraftstoffe hat sich einiges getan. Automobilhersteller wie Opel, GM und PSA haben bestimmte Additive nicht nur freigegeben, sondern schreiben diese mittlerweile sogar vor oder geben zumindest Empfehlungen dazu heraus. Bei Kraftstoffadditiven ist allerdings auch Vorsicht geboten. Durch ihre chemische Struktur begünstigen manche Additive die Partikelbildung im Brennraum und damit Vorentflammung.
Erst neuere Ansätze rücken laut Tunap die Ablagerungen im Zylinder in den Mittelpunkt und sorgen für hinreichende Reinigung. Unternehmen, die viel Erfahrung im Additivbereich mitbringen – wie Liqui Moly oder Tunap – haben seit einiger Zeit spezielle Entwicklungen gegen LSPI im Angebot. Wichtig zu wissen ist allerdings auch: Mit diesen beiden Lösungsansätzen ist das Problem noch nicht vollständig gelöst.
Offene Fragen zu Low Speed Pre Ignition
Laut Kaiser von Liqui Moly gibt es noch einen dritten Faktor, der zu LSPI führen kann: „In Versuchen auf dem Prüfstand hat sich das Auftreten von LSPI stark verringert, wenn die zwei oben genannten Effekte erkannt und durch spezielle Zusatzstoffe in Öl und Kraftstoff entsprechend nachbehandelt wurden. Trotzdem ist LSPI ab und zu immer noch aufgetreten.“ Auf den Punkt gebracht: Obwohl weniger Rußablagerungen im Brennraum und eine Herabsetzung der Zündwilligkeit erreicht wurden, ist das Problem noch nicht vollständig weg. „Der dritte Einflussfaktor ist somit noch ungelöst“, resümiert der Experte.
Um die Wahrscheinlichkeit von LSPI möglichst gering zu halten, sollten Kfz-Profis somit wenigstens die beiden bekannten Faktoren – die Kraftstoff-Öl-Verdünnung und die Partikelablagerungen – bei den betroffenen Kundenfahrzeugen ausschalten. Für die Zukunft sind bei der Motorentwicklung laut Dr. Hochstein aber andere Lösungen gefragt: Diese müssen bei den verwendeten Bauteilen ansetzen und dafür sorgen, dass Partikelbildung durch Ablagerungen sowie die Entstehung von Kraftstoff-Öl-Tröpfchen vermieden oder zumindest reduziert werden.
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