Die Scheinwerfer-Prüfrichtlinie
Seit Januar 2018 gelten strengere Regeln bei der Überprüfung und Einstellung von Scheinwerfern. Die neue Scheinwerfer-Prüfrichtlinie zwingt die Fachbetriebe teilweise zu erheblichen Investitionen. Entsprechend unbeliebt ist sie in Teilen der Branche. Die Anforderungen werden oft als übertrieben angesehen. Ein genaueres Hinsehen vermittelt ein differenziertes Bild.
Bei klassischem Landstraßentempo ‚80‘ bewegt sich in drei Sekunden ‚Blindfahrt‘ ein Fahrzeug rund 67 Meter weit. Dies entspricht ungefähr der Sichtweite, die gut eingestellte, leistungsfähige Scheinwerfer ermöglichen. Eine korrekte Einstellung der Hauptscheinwerfer ist also ein deutlicher Beitrag zur Verkehrssicherheit. Eine Vierteldrehung an einer Einstellschraube in die falsche Richtung kann einen Verlust der Leuchtweite im zweistelligen Meterbereich bedeuten.
Mit Recht sind die Scheinwerfer inzwischen ein gewichtiger Teil der Hauptuntersuchung (HU). Dabei fällt das Abblendlicht konstant auf. Bei drei Jahre alten, also erstmals vorgeführten Fahrzeugen, führt das Fahrzeuglicht sogar die Mängelliste an. Nun werden neue Fahrzeuge noch überdurchschnittlich oft in Markenwerkstätten gewartet. Eine falsche Scheinwerfereinstellung dürfte somit leider in erheblichem Maß dort ihre Ursache haben. Hinzu kam die Problematik, dass die Prüfingenieure die ordentliche Ausrichtung der Scheinwerfer bei einer Hauptuntersuchung in den Betrieben oft gar nicht präzise genug überprüfen konnten. Veraltete Einstellgeräte und keine sachgerechte Prüffläche waren die Hauptursachen dafür.
Die neuen Vorschriften gemäß ‚Richtlinie für die Überprüfung der Einstellung der Scheinwerfer von Kraftfahrzeugen bei der Hauptuntersuchung (HU)‘ sind also durchaus berechtigt. Definiert wurden strenge Regeln was die Beschaffenheit des Prüfplatzes sowie entsprechende Toleranzen angeht. Es handelt sich dabei übrigens um eine rein deutsche Regelung. Eine Kritik an der ‚Brüsseler Bürokratie‘ ist verfehlt.
Weder die EU, noch die in Belangen der Fahrzeugbeleuchtung bestimmende Economic Commission for Europe (ECE) haben viel damit zu tun. Es gibt einzig eine international verbindliche Vereinbarung, dass die Staaten die regelmäßige Überprüfung der Fahrzeuge zu regeln haben. In Deutschland ist das die HU.
Erfüllt ein Betrieb die Regelungen gemäß Scheinwerfer-Prüfrichtlinie nicht, dürfen die Sachverständigen-Organisationen wie Dekra, GTÜ, KÜS oder TÜV dort keine Prüfungen mehr durchführen.
Wichtiges zur neuen Richtlinie für die Baumusterprüfungen von Scheinwerfereinstell-Prüfgeräten
Selbst wer die Anforderungen in einigen Punkten (bei der Prüffläche) als zu perfektionistisch ansieht, wird die Notwendigkeit einer Anpassung des Althergebrachten an den Stand der Technik anerkennen müssen. Bis Ende 2017 wäre die Überprüfung der Scheinwerfer noch an der sogenannten ‚Zehn-Meter-Wand‘ zulässig gewesen. Bei dieser Methode wurde das Fahrzeug in einem Abstand von zehn Metern vor einer hellen Wand geparkt, die mit den Markierungen für die Lichtverteilung versehen war. Anhand dieser Marken wurden anschließend die Scheinwerfer überprüft beziehungsweise eingestellt. Diese Methode funktioniert und wird tatsächlich auch bei hochgenauen Messungen in Lichtkanälen eingesetzt. Doch dort herrschen praktisch schon labormäßige Bedingungen und Toleranzen.
Die Nachteile der veralteten Messmethode liegen auf der Hand. Man benötigt eine relative große, helle sowie freie Wand und dementsprechend viel Platz. Beides ist insbesondere in kleineren Werkstätten nicht vorhanden. Außerdem stellen heutige, moderne Lichtsysteme und vor allem auch die Vielfalt (Halogen, Xenon, LED, Matrix, Mischformen) deutlich höhere Anforderungen an den Messablauf. ‚Pi mal Daumen‘ an den Einstellschrauben ist nicht mehr praktikabel.
Die Einstellmethode mittels Wand wird in der großen Mehrheit der Fachbetriebe aus praktischen Gründen daher schon lang nicht mehr praktiziert. An ihre Stelle sind seit den 1960er-Jahren Scheinwerfereinstellgeräte getreten. Doch vielfach sind genau diese Geräte heute noch in Gebrauch. Bislang gab es kaum Kriterien für Instandhaltung und Wartung. Das hat die Scheinwerfer-Prüfrichtlinie in Deutschland geändert.
Mit modernen Scheinwerfereinstell-Geräten (SEG oder auch SEP für Scheinwerfer-Einstell- und -Prüfgeräte) ist die neue Richtlinie umsetzbar. Damit geht die Überprüfung schneller, flexibler und vor allem präziser vonstatten.
Der Trick: Die Geräte simulieren quasi die beschriebene Zehn-Meter-Wand. Die im optischen Kasten eingebaute Fresnel-Linse verkürzt dabei die Messstrecke auf lediglich ein paar Dezimeter.
Ein SEG kann an mehreren Standorten eingesetzt werden, sofern der Werkstattboden jeweils die erforderlichen Toleranzen einhält. Idealerweise ist das SEG jedoch quer zur Fahrzeug-Längsachse auf fest installierten Schienen, verschiebbar vor dem Einstellplatz platziert. Damit geht die Arbeit schneller vonstatten, die exakt lineare Ausrichtung des Einstellgeräts zum Auto entfällt. Allerdings muss sichergestellt sein, dass das Fahrzeug genau im rechten Winkel zu den Schienen steht.
Schärfere Regeln sind nicht neu
Der Gesetzgeber hat die Anforderungen für Geräte und Einstellplätze in den Werkstätten übrigens bereits 2014 verschärft. Nach langem, vierjährigem Bestandsschutz trat zum 1. Januar 2018 die novellierte Richtlinie jedoch verpflichtend in Kraft. Das heißt: Sowohl die Scheinwerfereinstellgeräte als auch im Besonderen die Prüfplätze müssen nun exakt den definierten Vorgaben entsprechen.
Seit Anfang des Jahres 2018 ist nun auch eine Kalibrierung der Prüfplätze und Scheinwerfereinstellgeräte erforderlich. Diese Feinjustierungen dürfen nur noch vom Hersteller geschulte Techniker durchführen. Das Prüfintervall von 24 Monaten ist bindend. Manchem Werkstattbesitzer stehen neben den aktuellen Umbau- und Anschaffungskosten somit auch laufende ins Haus, will er seine Zulassung zur Durchführung von Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO nicht verlieren.
Die Anforderungen im Detail
Die Anforderungen an die Güte der Prüfplätze sind erheblich. So darf die Neigung der Fahrspuren maximal 1,5 Prozent und die Unebenheit im Bereich des SEG höchstens plus/minus einen Millimeter betragen. Das hört sich nach wenig an. Doch geringe Abweichungen können die Reichweite des Abblendlichts beispielsweise in 75 Meter Entfernung erheblich beeinflussen. Sprich: Ein wenige Winkelminuten zu tief stehender Premium-Scheinwerfer bietet weniger Sicht als ein Mittelklasse-Modell.
Die Aufstellfläche für das zu prüfende Fahrzeug muss also nahezu ideal eben sein. Viele Kfz-Betriebe können diese ebene Fläche nicht zur Verfügung stellen. Abhilfe schaffen zum Beispiel nachrüstbare, fest verankerte Nivellierplatten oder überfahrbare Schienensysteme, die Bodenunebenheiten problemlos und ohne kosten- und zeitintensive Baumaßnahmen ausgleichen. Das exakt abgestellte Fahrzeug und der SEG sind dann immer garantiert ‚auf Linie‘. Einziger Nachteil: Da der Abstand zum Einstellgerät kritisch ist, muss das Fahrzeug recht genau an das Einstellgerät herangefahren werden.
Eine weitere, eher konventionelle Methode, den Prüfplatz vor dem SEG zu nivellieren, ist ein präzis eingelassener Fundamentboden. Dessen Vorteile sind Wartungsfreiheit, Robustheit und vor allem: keine Unterhaltskosten. Moderne Spezial-Estriche, fachgerecht verlegt, erfüllen die strenge Prüfplatz-Norm nach ISO 10604 und sind nach wenigen Stunden Trocknung bereits befahrbar. Zudem stellen sie keine Stolperfalle dar.
Moderne Scheinwerfereinstellgeräte
Die Anforderungen an das Scheinwerfereinstellgerät sind ebenfalls deutlich gestiegen. Äußerlich ähnlich zu den Geräten früherer Generationen, haben moderne SEG eine deutliche Veränderung im Innenleben durchlebt. So besitzen digitale SEG eine horizontale und senkrechte Einstellskala und eignen sich zur ‚Programmierung‘ von Voll-LED- oder Matrix-Scheinwerfern. Darüber hinaus verfügen sie über einen oder mehrere USB-Anschlüsse sowie WLAN- und Bluetooth-Schnittstellen zur Datenübertragung. So lässt sich die Lichteinstellung inklusive aller Einstellwerte und der Kunden- und Werkstattdaten einfach protokollieren.
Die bekanntesten Hersteller sind Hella Gutmann Solutions und Maha. Viele Geräte verfügen zudem (je nach Ausstattung) über einen Touchscreen oder eine Kamera zur Erfassung und Digitalisierung des Scheinwerfer-Abbilds. Praktisch ist ein Akkubetrieb für den kabellosen Einsatz. Somit können Einstellarbeiten ohne Stolpergefahr durchgeführt werden.
Der hohe technische Aufwand lässt sich gut gegenüber dem Werkstattkunden vermitteln – einerseits durch die strengeren gesetzlichen Vorgaben, andererseits durch plastische, leicht nachvollziehbare Beispiele zur Leistungsfähigkeit des Lichts. Die Kosten, die der Kunde zu tragen hat, wird er so leichter akzeptieren. Er verlässt die Werkstatt mit dem guten Gefühl, über die optimale Lichteinstellung zu verfügen und den Gegenverkehr garantiert nicht zu blenden.
3. Auflage 2018, von Fritz Lorek, 56 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24,95 Euro
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