KRAFTHAND-Online im Gespräch: Elektroantrieb am Beispiel MINI E
BWM übergab in München 25 MINI E an Testfahrer, die das rein elektrisch angetriebene Fahrzeug künftig im Alltag erproben. Ziel ist ein Vergleich beim Fahrverhalten von Nutzern, die regelmäßig oder nur gelegentlich E-Fahrzeuge fahren. Über den aktuellen Stand, Technik und Zukunft bei E-Fahrzeugen sprach KRAFTHAND-Online mit Dr. Julian Weber, Leiter Innovationsprojekte E-Mobilität bei BMW.
KRAFTHAND-Online: Herr Dr. Weber, was ist die Gesamtstrategie von MINI/BMW bei alternativen Antrieben?
Wir gehen in drei Schritten vor: Beim MINI E wollen wir vor allem Erfahrungen bei den Nutzern sammeln. Den BMW ActiveE produzieren wir weltweit 1.100 mal und erproben die Technik, also den Elektromotor, die Batterie und die Leistungselektronik. Wir betrachten den BMW ActiveE und MINI E als Testphase. Den dritten Schritt vollziehen wir Ende 2013 mit der Serieneinführung des BMW i3.
Dabei setzen wir auf mehrere Säulen: Einerseits die Steigerung der Effizienz bei den konventionellen Antrieben, die auch in 10 oder 15 Jahren den Markt noch dominieren werden. Andererseits betrachten wir die Hybridtechnologie wie beim 3er, 5er und 7er BMW als Brücke zwischen der alten und neuen Welt des elektrischen Fahrens. Auch bei anderen Antriebsformen wie Brennstoffzelle und Wasserstoff sehen wir langfristig Potential.
KRAFTHAND-Online: Viele Autohersteller forschen im Bereich Elektromobilität und stellen E-Mobile her. Oft hat man den Eindruck, die Autohersteller tun das rein aus Imagegründen. Wann werden Elektrofahrzeuge wirklich alltagstauglich für den normalen Autofahrer, auch im Hinblick auf den Kaufpreis?
Die zahlreichen Feldversuchen des MINI E haben gezeigt, dass Elektrofahrzeuge genau so genutzt werden wie ein anderes Fahrzeug mit herkömmlichem Verbrennungsmotor derselben Fahrzeugkategorie. Die Nutzer der MINI E gaben im weltweiten Durchschnitt an, dass sie rund 80 Prozent ihrer täglichen Fahrten mit dem MINI E absolvieren konnten. Gäbe es nicht den eingeschränkten Gepäckraum und die fehlende Rücksitzbank, wären sogar rund 90 Prozent der täglichen Fahrten möglich. Daher sind wir überzeugt davon, dass ein Elektrofahrzeug wie unser BMW i3 im urbanen Raum die Kundenerwartungen voll erfüllen wird.
KRAFTHAND-Online: Was ist für welchen Kunden das Richtige?
Bei voll elektrisch angetriebenen Fahrzeugen sehen wir insbesondere in den urbanen Regionen und Megacities großes Potential. Nicht umsonst trägt der BMW i3 die interne Bezeichnung ‚Megacity Vehicle‘. In Zukunft sehen wir eine Vielfalt der Antriebstechnologien auf den Markt: Verbrenner, Hybrid, Plug-in Hybrid und rein elektrisch. Künftig muss der Kunde neben dem Modell auch den passenden Antrieb wählen. Für den Langstreckenfahrer ist ein effizienter Dieselmotor das Richtige. Für jemanden, der primär im urbanen Raum unterwegs ist, kann ein Elektrofahrzeug künftig die Erwartungen voll erfüllen.
KRAFTHAND-ONLINE: Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Elektromobilen in den nächsten Jahren?
Wir rechnen bis 2020 weltweit mit einem Marktanteil von vier bis acht Prozent bei Elektromobilen.
KRAFTHAND-Online: Worin bestehen die Schwierigkeiten im Bereich E-Mobilität und in der Forschung?
Eine große Herausforderung ist der Umgang mit dem Zusatzgewicht der Batterie im Elektrofahrzeug. Das Leichtbauprimat gilt insbesondere für den elektrischen BMW i3, da ein niedriges Gewicht entscheidenden Einfluss auf die benötigte Batteriegröße und Reichweite hat. Dies ist einer der Gründe, warum wir den Hightech Werkstoff CFK im BMW i3 erstmals in einem großen Ausmaß in einem Großserienfahrzeug einsetzen werden.
KRAFTHAND-Online: Spielen Brennstoffzellen in der Gesamtstrategie von MINI/BMW auch eine Rolle?
Brennstoffzellen sind ein Forschungsthema bei BMW. Jedoch stehen sie nicht unmittelbar vor der Markteinführung.
KRAFTHAND-Online: Enthält der MINI E eine Lithium-Ionen-Batterie oder einen Nickel-Metall-Hybrid-Akkumulator?
Der MINI E fährt mit einer Lithium-Ionen-Batterie.
KRAFTHAND-Online: Eine Lithium-Ionen-Batterie für ein Elektroauto kostet heute je nach Größe mehrere Tausend Euro. Um gegenüber einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor wettbewerbsfähig zu werden, müssen die Kosten deutlich sinken. Sind Lösungen in Sicht?
Die Entwicklung der von Lithium-Ionen-Batteriezellen zählte bislang nicht zur Kernkompetenz eines Automobilbauers. Derzeit haben Unternehmen aus dem Consumer Product Bereich und Unternehmen, die sich auf die Entwicklung von Akkumulatoren spezialisiert haben, in diesem Bereich das größte Know-how.
Der Energiespeicher wird in zukünftigen Elektrofahrzeugen zwar eine wichtige Rolle spielen. Wir erwarten jedoch, dass die Batteriezellen selbst zu einem Commodity werden – analog der Entwicklung, die wir im Consumer Bereich erlebt haben. Irgendwann wird man weniger über die Batterie reden und mehr über die Funktionalität des Fahrzeuges. Auch im Smart-Phone steckt ein Akku mit Lithium-Ionen. Kauft man ein neues i-Phone, redet man nicht über die Batterie, sondern über das Design, die Features und die Apps. So wird die Entwicklung auch bei der Elektromobilität verlaufen.
KRAFTHAND-Online: Lithium ist ein knapper Rohstoff und weltweit keineswegs unbegrenzt vorhanden. Sind Lithium-Ionen-Batterien tatsächlich die Technologie der Zukunft, wenn beispielsweise Märkte wie die USA und Asien ebenfalls verstärkt auf Elektromobilität setzen und die Nachfrage nach Lithium entsprechend anzieht?
Die Batterie behält auch einem normalen Autoleben noch einen Großteil Ihrer Leistungsfähigkeit. Daher kann sie weiterverwendet werden. So ist zum Beispiel eine fortgesetzte Nutzung im stationären Gebrauch denkbar – etwa als flexibler Zwischenspeicher für Energieversorger.
KRAFTHAND-Online: Gibt es eine Wiederaufbereitung?
Ja. Ein Beispiel hierfür ist die „Second-Use-Nutzung“, also eine stationäre Nutzung außerhalb des Fahrzeugs. Es gibt das vom Bundesverkehrsministerium geförderte Projekt „Effizienz Haus Plus“ in Berlin. Hierbei wohnen einige „Modellfamilien“ in besonders umweltfreundlichen Häusern, die mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen können. Diese Energie muss zwischengespeichert werden. Als stationäre Energiespeicher für erneuerbare Energien dienen die gebrauchten MINI-E-Batterien. Wir wollen zudem untersuchen, wie man die Lebensdauer einer Batterie außerhalb eines Fahrzeugs verlängern kann. Ist durch fortgeschrittene Alterung des Batteriesystems kein wirtschaftlich sinnvoller Einsatz mehr möglich, können die Rohstoffe weitgehend zurückgewonnen werden.
KRAFTHAND-Online: Wie lange hält die Lithium-Ionen-Batterie?
Wir führen diese Flottentests mit dem BMW ActiveE durch, um auch Erkenntnisse im Feld über die Batterie zu gewinnen. Auch die Erfahrungen mit dem MINI E im Feld waren sehr gut. Genaue Modalitäten zur Gewährleistung der Batterie geben wir bei Markteinführung des BMW i3 bekannt.
Krafthand-Online: Wie viele Kilometer fährt der MINI E mit einer Batterieladung?
Unter realen Straßenbedingungen fahren unsere MINI E Nutzer weltweit bis zu 170 km mit einer vollen Batterie.
KRAFTHAND-Online: Wie lang müssen die Fahrzeugbatterien aufgeladen werden?
Der MINI E kann in drei Einstellungen aufgeladen werden, zum Beispiel über die Schuko-Steckdose bei 16 Ampère/230 Volt in etwa 10 Stunden. Alle unsere Nutzer haben eine sogenannte Wall box und können ihre Fahrzeuge auch bei 32 Ampère in vier Stunden laden. Bei 50 Ampère sind von 0 auf 100 Prozent zweieinhalb Stunden notwendig.
KRAFTHAND-Online: Ist das nicht zu lang?
Die Nutzer fahren tagsüber und stellen ihre Fahrzeuge abends ab. In dieser Zeit kann man die Batterie laden. Der BMW i3 kann auch mit Gleichstrom aufgeladen werden, was die Ladezeit noch erheblich reduziert.
KRAFTHAND-Online: Wie steht es um die Temperaturempfindlichkeit der Lithium-Ionen-Batterie?
Die Außentemperatur hat einen Einfluss auf das Ladeverhalten. Das merken auch unsere MINI E-Nutzer im Winter. Wenn die Batterie kalt ist, dauert die Aufladung länger. Wir haben das Thema bereits beim BMW ActiveE gelöst. Dort gibt es eine Vorkonditionierung der Batterie. Das heißt, die Batterie wird vortemperiert, wenn das Fahrzeug gerade ans Ladenetz angeschlossen ist.
KRAFTHAND-Online: Gibt es diese Vorkonditionierung auch im MINI E?
Nein. Der MINI E ist keine Serienlösung.
KRAFTHAND-Online: Im Winter muss die Batterie erwärmt werden. Ist im Sommer eine Kühlung notwendig?
Ja. Im Sommer wird die Batterie im Rahmen der Vorkonditionierung entsprechend gekühlt. Der Vorteil für den Nutzer: Fahrzeug und Batterie haben beim Losfahren die optimale Temperatur und damit auch die optimale Reichweite.
KRAFTHAND-Online: Wie wirken sich Temperaturempfindlichkeit und Vorkonditionierung auf die Lebensdauer aus?
Diese sind nicht entscheidend für die Lebensdauer.
KRAFTHAND–Online: Ist die Reichweite im Winter verkürzt?
Beim MINI E ist die Reichweite im Winter um ein gutes Drittel verkürzt, da die gesamte Energieversorung des Elektromobils an der Batterie hängt. Wenn ich die Heizung im Winter oder die Klimaanlage im Sommer betreibe, geht das zulasten der Reichweite. Beim MINI E sind die Teile nicht ausgelegt für den optimalen Energiebedarf, beim BMW ActiveE und BMW i3 dagegen schon. Wenn der Fahrer bereits mit einer Batterie in einem optimalen Zustand startet und der Fahrzeuginnenraum bereits vorklimatisiert ist, entfällt ein großer Teil der Anlaufenergie, die zudem sehr teuer ist.
KRAFTHAND-Online: Stichwort Preis: Was kosten 100 Kilometer in Strom beim E-MINI in Euro?
Der Verbrauch beträgt 14 kWh auf 100 Kilometer. Eine kWh in Deutschland kostet rund 20 Cent. Das heißt, wir sind bei 2,80 Euro. Im Vergleich mit einem konventionellen Fahrzeug, das auch effizient ist, kosten die 100 Kilometer doppelt so viel.
KRAFTHAND-Online: Wie sieht das Konzept der Fahrzeuginsassen-Heizung aus?
Eine Nutzung der Kühlwasserenergie für die Heizung wie beim Verbrennungsmotor ist beim MINI E nicht möglich.
Es gibt einen separaten Kreislauf für die Kühlung und die Temperierung der Batterie. Die Heizung erfolgt – wie alles andere im Fahrzeug – rein elektrisch. Eine effiziente elektrische Heizung wird im BMW i3 für die Heizung der Insassen sorgen.
KRAFTHAND-Online: Wird die Abwärme des E-Motors genutzt?
Die Abwärme eines Elektromotors ist viel geringer als im Verbrennungsmotor, da der Wirkungsgrad sehr hoch ist. Die Nutzung der Abwärme ist daher kein Thema beim MINI E.
KRAFTHAND-Online: Welche Heizung wird im MINI E verbaut?
Im MINI E kommt eine Hochvolt-PTC-Heizung zum Einsatz.
KRAFTHAND-Online: Ist für die Wiederaufladung der Batterien ein flächendeckendes E-Tankstellennetz geplant?
Ja. Für den Nutzer ist es einfach beruhigend, wenn er weiß, er kann unterwegs nachladen. Zudem brauchen wir auch Ladenmöglichkeiten für Nutzer, die keinen Stellplatz haben. Eine große Bedeutung hat auch das Thema Schnellladen. Unsere Flottenversuche weltweit haben aber gezeigt, dass E-Mobilität funktioniert, wenn Nutzer einen sicheren Stellplatz mit Lademöglichkeit haben. Diese Ladestation kann zuhause oder bei der Arbeit sein.
KRAFTHAND-Online: Wenn das Fahrzeug kaputt ist, kann ein Pannendienst die Reparatur vornehmen oder muss die nächste Vertragswerkstatt angesteuert werden?
In allen Städten, wo wir den MINI E laufen haben, gibt es feste Ansprechpartner und spezialisierte Servicekräfte, die sich um den MINI E kümmern. Der Service erfolgt im Service Hub. Die Hochvoltarbeiten können nicht beim Vertragshändler durchgeführt werden. Wir schulen eigens hier in München die Spezialisten.
KRAFTHAND-Online: Wie werden die freien Werkstätten in das Reparaturkonzept eingebunden?
Dazu möchten wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht äußern.
KRAFTHAND-Online: Wie hoch ist das Gesamtgewicht eines MINI E verglichen mit einem herkömmlichen MINI mit Verbrennungsmotor?
Wer haben beim MINI E etwa 200 Kilogramm Zusatzgewicht bedingt durch die Batterie. Ein kleiner Vorteil entseht jedoch dadurch, dass der Elektromotor nicht ganz so schwer ist wie der Verbrennungsmotor.
KRAFTHAND-Online: Nimmt die Batterie den Insassen Platz weg?
Beim MINI E ja. Das liegt daran, dass der MINI E für den Elektrobetrieb umgebaut wurde und daher nicht optimal dafür ausgelegt ist. Wir haben diesen Ansatz gewählt, weil es schnell ging und wir die Flotte schnell auf die Straße bringen wollten. Beim Serienfahrzeug BMW i3 dagegen haben wir eine für den Elektrobetrieb konstruierte Architektur.
KRAFTHAND-Online: Gibt es beim MINI E größere Beschränkungen bei der Zuladung gegenüber einem MINI mit Verbrennungsmotor?
Der MINI E hat einen 60-Liter-Kofferraum und damit weit weniger als das konventionelle Fahrzeug. Weil das Fahrzeug schwerer ist, hat man nicht das komplette Zuladungsgewicht wie bei einem konventionellen Fahrzeug.
KRAFTHAND-Online: Wie wird der MINI E voraussichtlich besteuert? Eine Besteuerung nach Hubraum wie bei Verbrennungsmotoren ist bei E-Mobilen ja nicht möglich.
Der MINI E ist ein Testfahrzeug und die Nutzer zahlen eine monatliche Nutzungsgebühr. Hier trifft das nicht zu. In der Hochlaufphase geht es weniger um Besteuerung als Incentivierung der Elektromobilität. Hier unterstützen wir im vollen Umfang die Empfehlungen der Nationalen Plattform E-Mobilität. Nur durch intelligente Anreize – und damit meine ich nicht enorme Subventionen – müssen wir den Hochlauf dieser Technologie unterstützen.
KRAFTHAND-Online: Wo wurden die MINI E bisher gebaut?
Im MINI Werk Oxford wurde die Karosserie gebaut. Die Elektrifizierung des MINI E fand hier im Münchner Stammwerk statt.
KRAFTHAND-Online: Herr Dr. Weber, wir bedanken uns für das Gespräch.
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